Dokumentation einer Nachtfahrt

Geschrieben von urs am Donnerstag, 28. Februar 2013 Jetzt buchen

Die Thurgauerin Lea Natter-Zeberli absolviert ihr Brevet für Ballon-Nachtfahrten. Das Funken erweist sich als Herausforderung. Dennoch bleibt sie auf 2300 Metern Höhe ebenso gelassen wie knapp über den Dächern von Niederuzwil. Eine Reportage von Daniela Ebinger (Text und Fotos).

BISCHOFSZELL. Wie eine orange Kugel steigt am Horizont der Mond immer höher und leuchtet zunehmend heller. Es ist Vollmond – nebelfrei – klar und eisig kalt. Die Landschaft ist schneebedeckt, eine weisse Pracht. Ideal für eine Nachtfahrt mit dem Heissluftballon. Der Schnee reflektiert das Mondlicht und hellt die Dunkelheit sanft auf.

Die 27jährige Heissluftballon-Pilotin Lea Natter-Zeberli will die Prüfung für Nachtfahrten ablegen. Diese Prüfungen werden hauptsächlich im Winter, wenn Schnee liegt, durchgeführt. Schon einen Tag vor der Prüfungsfahrt begann Lea Natter-Zeberli Wind, Nebel und Wolken genau zu beobachten. «Heute Nachmittag habe ich mich definitiv für die Durchführung entschieden», sagt sie. Es ist nebelfrei und es herrschen gute Windverhältnisse. «Luftfeuchtigkeit und Taupunkt liegen weit auseinander», erklärt sie.

Vater und Nachtfahrer Köbi Zeberli winkt ab und findet: «Das ist alles eine Wissenschaft für sich.» Leas Bruder und Fahrlehrer Stefan Zeberli studiert mit ihr auf einer Internetseite mit Meteo-Angaben verschiedene Werte wie Feuchtigkeit und die aktuellen Windverhältnisse der Gegend, in der der Ballon startet. Bereits im Vorfeld erkundigte sich Lea über allfällige Sperrgebiete im Luftraum. Dieser ist in verschiedene Zonen eingeteilt.

Im Team des Bruders

Vor knapp einem Jahr absolvierte die Bischofszellerin die Heissluftballon-Prüfung. Bereits als Kind jagte sie zusammen mit ihrem Bruder den Heissluftballons mit dem Fahrrad nach. Stefan Zeberli fährt seit 13 Jahren Heissluftballons. Er holte sich bei Wettkämpfen schon etliche Titel wie Europameister, Schweizer Meister und vor zweieinhalb Jahren schaffte er den dritten Platz an der Weltmeisterschaft in Debrecen. Seit sechs Jahren gehört Schwester Lea zu seinem treuen Wettkampf-Team. In ihr Hobby binden die zwei Piloten die ganze Familie mit ein.

Vor der Abfahrt lässt Stefan Zeberli im Feien einen Heliumballon mit einem Led-Lämpchen fliegen. «Dabei kann ich die Windrichtung feststellen», sagt Zeberli. Die Startrichtung wird festgelegt. Es geht in Richtung St. Gallen Breitfeld. Beim Aufstellen braucht der Korb mit Ballon eine ebene Fläche von 23 Metern Länge. Jeder im Team weiss genau wo, wie, was und wann er anpacken muss. Bevor die Gasflamme zum Einsatz kommt, wird mit einem Ventilator Kaltluft in die Hülle geblasen. Der Ballon stellt sich durch die erwärmte Luft langsam auf.

St. Gallen wird ganz klein

Die Pilotin trifft letzte Vorbereitungen und Kontrollen. Schon heisst es einsteigen und ab in die dunkle, kalte Nacht. Die Hüllentemperatur wird je nach Beladung auf 60 bis 100 Grad Celsius aufgewärmt, bis sich der Ballon vom Erdboden löst. Mit im Korb ist der langjährige Pilot, Freund und Heissluftballon-Lehrer Kurt Frieden.

Der runde Mond scheint auf die Landschaft. Das von vielen Lichtern beleuchtete St. Gallen-West wird immer kleiner. Plötzlich teilt sich wie durch einen Schnitt die Dunstschicht und legt die Silhouette des Alpsteins frei. Bis auf 2300 Meter steigt der Ballon. Durch die tiefe Luftfeuchtigkeit fühlt man die tiefen Temperaturen mit zunehmender Höhe viel weniger als in tieferen Lagen. Für die Nachtfahrt ist eine Anmeldung beim Flughafen Zürich zwingend. Dafür muss der Pilot in Funkverbindung bleiben. Das Funken ist für Lea Natter-Zeberli eine besondere Herausforderung. «Ich bin das nicht gewohnt, mir fehlt die Übung und es ist einfach eine eigene Sprache», sagt sie.

Das Funken in der englischen Pilotensprache habe sie bei der Prüfung letztesmal intensiv gebraucht. Die theoretische Ausbildung besteht aus neun Fächern wie Luftrecht, allgemeine Luftfahrzeugkenntnis, Meteorologie, Navigation, Grundlagen des Fluges und menschliches Leistungsvermögen.

Fast wie ein Doktortitel

«Bei letzterem kam ich mir vor, als ob ich einen Doktortitel erwerben müsste», sagt sie über das Fach mit medizinischem Hintergrundwissen für Notfallsituationen. Die praktische Ausbildung beinhaltet unter Anleitung eines Ballonfahr-Lehrers mindestens 16 Ballonfahrten. Danach folgt die Prüfung mit einem Experten des Bundesamts für Zivilluftfahrt (Bazl).

Der Ballon fährt in Richtung Niederuzwil. Lea Natter-Zeberli ist mit der Funkstation in Zürich verbunden. Sie gibt Richtung und Höhe durch. «Bei Tagesflügen ist das Funken in nicht kontrollierten Lufträumen nicht zwingend», sagt sie. Dann kann sie einen Flug auch eher geniessen. Für sie ist das Heissluftballonfahren ein Spiel mit der Höhe und den Windrichtungen. «Ich fühle mich vogelfrei und kann dabei alle Sorgen und allen Ärger vergessen», sagt die Pilotin. Letztes Jahr verbrachte sie 98 Stunden im Ballon.

In tieferer Höhe geht es Richtung Niederuzwil. Fast Auge in Auge mit dem Kirchturm. Hausdächer sind zum Berühren nahe. Passanten bleiben stehen und rufen der Ballon-Mannschaft zu. An einem Panoramafenster steht ein Mann mit einem Kleinkind auf dem Arm und winkt. Von einem Restaurant steigt Pommes-Frites-Duft auf.

Aus verschiedenen Kaminen steigt weisser Rauch auf. Daran kann man die Windrichtung erkennen. Auf einer abgelegenen verschneiten Wiese legt Lea Natter-Zeberli einen kurzen Zwischenstop ein.

Ein letztesmal steigt der Riese in die Höhe. Bevor die knapp zweistündige Fahrt zu Ende geht, fährt der Ballon über Feld und Wiese. Zügig sinkt er und landet, wie von Stefan Zeberli vorhergesagt, ganz sanft am Rand einer flachen Wiese. Jetzt geht alles ganz schnell. Die Luft wird aus dem Ballon herausgedrückt und die 149 Kilogramm schwere Hülle sowie der Korb werden wieder in den Anhänger gepackt.

Die Füsse sind kalt

Erst jetzt macht sich die Kälte in den Füssen bemerkbar. Mit heissem Tee, Kaffee-Fertig und Gebäck lässt das Team die abenteuerliche Fahrt Revue passieren. Hat Lea Natter-Zeberli die Prüfung bestanden? Reichte ihr Können am Funk? Erst ganz zum Schluss entscheiden die zwei erfahrenen Piloten, ob sie die Prüfung mit Erfolg abgelegt hat.